##Was ist passiert?
Mein Nachbar erzählte mir seine Geschichte: Seit der Schulzeit trifft er sich regelmäßig mit seinen Jungs. Über 50 Jahre pflegten die Fünf ihre Männerfreundschaft – bis Corona kam. Sie verloren sich aus den Augen, erst jetzt kamen sie mal wieder zusammen, um an der alten Freundschaftsbande anzuknüpfen. Plötzlich brach es aus einem heraus: „Du hast dich doch an nix gehalten! Klingelst an meiner Tür, ungeimpft, ohne Maske, ohne Test kamst du zu Besuch und brachtest mich und meine Familie in Gefahr!“, warf er einem Freund an den Kopf! Der stammelte überrascht: „Ähm, ja. Ich hab schon gemerkt, dass du Angst hattest. Ich bin ja dann auch nicht mehr gekommen!“ Der andere kam erst richtig in Fahrt: „Genau! Du hast dich über ein Jahr gar nicht mehr blicken lassen! Was bist du für ein Freund?!“, rief er und verließ die Runde. Der Abend hätte an diesem Punkt zu Ende sein können.
Hätte! Doch ein anderer Freund haute auf den Tisch: „Stopp! Keiner verlässt den Tisch. Wir bleiben alle so lange hier sitzen, bis das geklärt ist – und wenn wir die ganze Nacht hier verbringen.“
Gesagt, getan. Die Freunde sprachen miteinander, verstanden den Standpunkt des anderen und konnten sich verzeihen. Letztlich lagen sie sich in den Armen und wussten: „Wir sind zwar in Manchem unterschiedlicher Meinung – trotzdem bist und bleibst du mein Freund!“
Das ist wahre Freundschaft: ein Feld, das man mit Liebe besät und mit Dankbarkeit erntet … und manchmal braucht es eben auch den beherzten Spatenstich von außen, zum Erde auflockern.
Stefanie Aufleger
akzent-Kolumne 2022/08